Adolph Freiherr von Knigge –. Von dem Umgange unter Eheleuten.

Aus: Über den Umgang mit Menschen

Inhalt:

Im Kapitel "Von dem Umgange unter Eheleuten" gibt Knigge in 20 Unterkapiteln pragmatische Ratschläge, wie das Zusammenleben von Gatten zu gestallten sei, damit es zu Freude und Glück führe, und die nicht ein „Stand schwerster Sklaverei, ein Seufzen unter den eisernen Fesseln der Notwendigkeit, ohne Hoffnung einer anderen Erlösung, als wenn der dürre Knochenmann mit seiner Sense dem Unwesen ein Ende macht“ werde.
Durch diese Äusserungen und dadurch, dass Knigge die Wichtigkeit der Partnerwahl betont, drückt er aus, dass eine Ehe eigentlich harmonisch und beiden Gatten angenehm sein sollte. Er rät von ökonomischen und politischen Zweckehen ab und mahnt zur Planung des häuslichen Glücks. Allerdings seien junge Menschen noch flexibel, so dass auch eine etwas ungeschickte Wahl durch gegenseitige Anpassung, Sex („eheliche Umarmung“) und die gemeinsame Erziehung von Kindern durchaus noch zu einer glücklichen Ehe führen könne.
Vorlieben und Einstellungen der beiden Partner müssen sich nach Knigge nicht absolut decken, es sei sogar besser, wenn verschiedene Interssen verhanden sind (solange die Unterschiede nicht allzu gravierend werden), weil die Ehepartner dadurch Gesprächsstoff haben und und sich gegenseitig nicht langweilig werden. Aus demselben Grund empfielt er dem Mann sich von Zeit zu Zeit ausser Haus zu beschäftigen und vielleicht auch einmal eine Reise zu unternehmen, um „seiner Gegenwart neuen Reiz zu geben“. Er mahnt besonders den Mann, seiner Frau gegenüber höflich zu sein, seine guten Manieren nicht zu vergessen und sich immer sauber zu kleiden. Wenn seine Frau ihn ehren solle, dann muss ein Mann ihr Knigges Meinung nach auch Anlass dazu geben, und alle seine Pflichten möglichst gut erfüllen, nur so kann er ihre Liebe und Achtung erringen und nicht indem er sie durch Spielchen neidisch macht.
Die Ehe gibt laut Knigge keinem Gatten das Recht, vom anderen zu verlangen, dass er seinen Freundeskreis aufgibt oder seine Hobbies ändert. Der andere muss sich auch nicht bedingungslos anpassen, gegenseitiges Interesse für die Neigungen des anderen macht das Zusammenleben aber leichter. Vor allem den Männern rät er, sich vor verführerischen Situationen zu hüten. Allerdings gibt er bei einem Ehebruch von seitens des Mannes hauptsächlich der Frau die Schuld, auch wenn er an anderer Stelle einräumt, „dass sehr oft der Mann durch üble oder unvorsichtige Behandlung daran Schuld ist, wenn Untugenden und Laster, zu welchen der Keim in dem Herzen seiner Frau lag, zum Ausbruche kommen.“ Ehebruch ist zwar immer moralisch verwerflich, die Unkeuschheit der Frau wiegt in seinen Augen aber schwerer, da sie Konsequenzen für die Erbschaft hat. Er warnt aber vor falschem Misstrauen, dass eine Ehe erst recht zerstören könne. Falls eine Ehe tatsächlich unglücklich ist, so soll man das nicht an die grosse Glocke hängen, da darunter das Ansehen und die Erziehung der Kinder leidet.
Eine Ehe soll in erster Linie durchgegenseitige Offenheit und Vertrauen gekennzeichnet sein. Da eine Frau rechtlich gesehen aber nicht mündig ist und moralische Verfehlungen ihrerseits die Ehre der Familie stärker belasteten und in der Regel die Frauen schwatzhafter und weniger standhaft seien als die Männer, soll tendenziell eher der Mann der Frau etwas verheimlichen als umgekehrt.
Mann und Frau sollen auch verschiedene Wirkungskreise haben und sich in ihren jeweiligen Spähren nicht dreinreden. In finanziellen Angelegenheiten hat zwar der Mann das Sagen, er soll ihr aber nicht einfach Haushaltsgeld nach seinem Gutdünken zuweisen, sondern ihr geben, soviel sie braucht und allenfalls mit ihr gemeinsam überlegen, wo man sparen könnte. Im Falle einer Verschuldung soll derjenige die Kasse übernehmen, der besser damit umzugehen weiss.
Knigge ist überzeugt, dass in aller Regel der Mann das sagen haben muss, auch wenn er auf den Rat einer weisen Frau hören soll. Kluge Frauen sollen deshalb keinesfalls dümmere Männer nehmen, damit der Mann, der sich der Herrschaft der Frau beugen muss nicht verlacht wird und damit die ganze Ehe lächerlich macht.

Knigges Schrift richtet sich vornehmlich an Männer, obwohl er den Standpunkt der Frau immer wieder berücksichtigt und betont, das eine Ehe ein Geben und Nehmen sei. Er wendet sich an „Personen im mittlern Stande“, da die „sehr vornehmen und sehr reichen Leute“ selten Sinn für häusliches Glück hätten, ihren Partnern oft fremd seien und sich sowieso an eine „eigene Moral“ zu halten pflegten. Knigge, der das adelige von selbst aus seinem Namen entfernte, scheint hier leise Kritik am Adel zu üben. Sein Buch kann als Versuch gedeutet werden, dem Bürgertum, das immer noch auf der Suche nach sich selbst ist, eine moalische Orientierungshilfe zu bieten. Es handelt sich bei diesem Text aber keinesfalls um blosse Benimmanleitungen in der Art der Silbergabelromane.
Knigge hütet sich im gesamten Text vor Verallgemeinerungen und absoluten Ratschlägen. Er schildert den üblichen Fall, räumt aber immer ein, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch das Gegenteil denkbar wäre. Knigge geht von einem traditionellen Frauenbild aus, das die Leitung von Männern notwendig macht, setzt es aber nicht absolut. Der Mann hat zwar die grössere Verantwortung, aber das beinhaltet eben auch, dass er seine Frau gut und vernünftig behandeln muss.


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